In 3 Tagen und über zahlreiche Cols durch die Alpen nach Marseille, mit der Fähre nach Korsika, dann eine Woche kreuz und quer über die Insel, mit der Fähre wieder zurück nach Marseille und in drei weiteren Tagen und über die restlichen Alpenpässe wieder zurück nach Luxemburg. Genau so stand es schwarz auf Grün in unserer Juli-Club-Info! Außerdem stand da noch was von Kurven, gutem Wetter, tollen Hotels und prima Essen. Eigentlich eine klare Ansage! Dass dies kein Sonntagsausflug werden sollte, dürfte eigentlich von vorneherein jedem klar gewesen sein. Dennoch wurde bei dieser Tour das Sozialverhalten (Formen des einträchtigen Zusammenlebens) der Teilnehmer extrem in Frage gestellt.
Meistens wurde die geplante Strecke gefahren und alle offenen Pässe bezwungen und unzählige Kurven in den unterschiedlichsten Schräglagen bewältigt. Die Hotels waren toll und das Essen echt vorzüglich. Einzig und allein das Wetter passte nicht, aber daran konnten wir nichts ändern. Wind, Regen, Minimaltemperaturen für die Jahreszeit, Wolken, Nebel, und Schnee (Ende August!), ja sogar wegen Schneefall gesperrte Pässe während der ersten Tage und danach dann große Hitze zehrten stark an der Moral der Truppe.
Ein Anrempler seitens einer unvorsichtigen und hastigen jungen Korsin, mit gottlob glimpflichem Ausgang, führte an den kommenden Tagen zu Unsicherheit und außergewöhnlich langsamer Fahrweise. Missgeschicke und kleine Unglücke wie der Verlust von gleich zwei Brillen, ein Ausrutscher am schönsten Pass, zwei unplanmäßige Pit-Stopps zwecks Reifenwechsel, einige weitere sintflutartige Wolkenbrüche und längere Wartezeiten häuften sich und erzürnten die Gemüter. Die großartigen Landschaften und fantastischen Aussichten wurden fast zur Nebensache.
Gleich nach Ankunft der Fähre ging es (gegen den Uhrzeigersinn) ein x um den nördlichen Zipfel, das Cap Corse herum. Kurve an Kurve, malerische Strände und einsame Buchten. Soweit das Auge reicht Terrassen mit Gärten, Weinberge und Olivenhaine, unterbrochen durch alte pisanische und genuesische Wachtürme und hohe Berge.
Die Auswahl an Fischgerichten und frischen Meeresfrüchten im Fischrestaurant Le Langoustier in Centuri war enorm, fangfrisch und gut. Unser zweites Ziel war Calvi, wo wir gleich zwei Nächte im schönen Hotel Saint Christophe, direkt am Meer verbrachten. Mittelpunkt ist hier die hoch auf einem Felsvorsprung über dem Meer liegende Altstadt mit Citadelle, mit einer wuchtigen Befestigungsmauer aus riesigen Granitblöcken, der auf dem höchsten Punkt des Felsens thronenden Kirche St. Jean-Baptiste und dem ehemaligen Gouverneurspalast. Drei Bastionen sicherten die Festung, die niemals bezwungen wurde und die man nur über eine Zugbrücke erreichen konnte. Von Oben genießt man eine herrliche Aussicht auf Unterstadt, Hafen, Yachthafen, Golf von Calvi, Monte-Cinto-Massiv und die Pointe de la Revellata.
Weiter in den Süden der Insel ging es entlang der Westküste, natürlich mit diversen Abstechern ins gebirgige Landesinnere. Hier im Westen zeigt sich Korsika von seiner wilden Schönheit. Hier befinden sich auch die geilsten schön geschwungenen Strecken für sportlich ambitionierte Motorradfahrer, ein wahrer Genuss.
Am Golf von Porto fährt man auch durch die einzigartige und atemberaubende Calanche de Piana mit ihren bizarren rot-braun aufragenden Felsformationen mit Löchern, Rissen und Kanten, ein Werk von Wind, Wasser und Temperaturunterschieden. Zu diversen Tageszeiten blockieren die vielen Reisebusse die schmale Straße total. In Porto-Pollo, im Golf von Valinco war uns mit dem Hotel l‘Eucalyptus, keine 100m oberhalb des Sandstrandes und dem direkt am Strand gelegenen, urigen Restaurant ein weiterer Glücksgriff gelungen. Die üppigen und äußerst schmackhaften Drei-Gang-Menüs bleiben sicher jedem in bester Erinnerung. Weiß leuchtende Kreidefelsen, die steil ins Meer abfallen prägen den Süden der Insel. Die Küste bietet glasklare, abgelegene Buchten, die zum Teil nur mit dem Boot zu erreichen sind.
Höhepunkt der Südküste ist zweifellos die Hafenstadt Bonifacio. Die verwinkelten Treppen und Gewölbe wirken wie ein Fluchtlabyrinth und die hohen, 4- bis 5- stöckigen Häuser machen die engen Gassen mit ihren überspannenden Strebebögen, einst Teil eines ausgeklügelten Zisternensystems, lichterlos und eher unfreundlich. Doch von der Brüstung Belvédère de la Manichelle hat man einen herrlichen Blick auf das Meer und von der Meerseite aus hat man den besten Blick auf Bonifacio, und die escalier du Roi d’Argon mit ihren 187 Stufen (1420 in einer Nacht in den Steilfelsen geschlagen - diente den Bewohnern bei späteren Belagerungen als Fluchtweg), deshalb gehört die Bootsfahrt zwingend zum Programm.
Um das Ganze zu vervollständigen führten natürlich auch mehrere Abstecher durch das bergige und kurvige Inselinnere, wo wir immer wieder feststellen mussten, dass die Straße nicht nur uns gehört. Vor allem Schweine und Ziegen lassen sich gerne auf Korsikas Bergstraßen nieder und erschweren auch mal die Weiterfahrt.
Auch mit sonstigen Überraschungen wie Steine, Sand, Kies, Tannenzapfen oder diverse Fladen muss man stets rechnen. Ähnlichkeit mit den Dolomiten haben die Berge rund um den Col de Bavella. Diese schöne Passstrasse ist von Lariciokiefern gesäumt.
Absolut sehenswert ist natürlich auch die wildromantische Schlucht Gorges de la Restonica in der Nähe von Corte im Zentrum der Insel, auch wenn es sich hierbei um eine Sackgasse handelt.
Nach den anstrengenden aber äusserst interessanten Tagen auf der Mittelmeerinsel schipperten wir dann wieder mit der Nachtfähre nach Marseille. In drei Etappen zog die Karawane dann über den Mont Ventoux und am Lac de Serre Poncon vorbei via Col du Lautaret und Alpe d'Huez Richtung Route Napoleon. Nach einer letzten Nacht mit feudalem Abendmahl im Château des Herbeys ging es am nächsten Tag zum grössten Teil über Autobahnen zügig zurück nach Luxemburg.
Alain BURG