Herbstausfahrt ins Winter Wonderland

Nein, nein, diesmal war nix mit Indian Summer oder so. Zwar gab es zum Saisonende noch mal so richtig viele kurvenreiche Strecken in den Cevennen, den „Pyrenées Orientales“ und Katalonien, aber dies unter erschwerten Bedingungen! Aber beginnen wir doch am Anfang. Wer während der letzten Tage vor unserem Start die Wetterberichte im Südwesten Frankreichs verfolgte war schon vorgewarnt. Vielerorts war Land unter und Überschwemmungen, Erdrutsche, Sperrungen und dergleichen standen auf der Tagesordnung. Als dann aber auch noch kurz vor unserer Abfahrt die „patronne“ des „Château des Ducs de Joyeuses“, wo wir für 5 Nächte reserviert hatten, mich anrief und erklärte, dass in der vergangenen Nacht alle Gäste evakuiert werden mussten, da das ganze Schloss über einen Meter unter Wasser stand und es demnach total unmöglich wäre uns zu empfangen, da die komplette Einrichtung (Küche, Rezeption, Büro, Weinkeller usw.) jetzt dahin waren und sie das Schlosshotel voraussichtlich für mehrere Monate schließen müsse, wurde uns allmählich bewusst, wie verheerend die Folgen der Unwetter in dieser Gegend wirklich waren. Wie dem auch sei, alle hatten Lust Motorrad zu fahren und sowieso gibt es ja kein schlechtes Wetter, nur die falsche oder unpassende Bekleidung. Demnach mussten quasi in letzter Minute andere, passende Hotels gefunden werden und der größte Teil der Strecken umgeplant werden. Jeweils eine Nacht in Carcassonne und Mirepoix und dazwischen 3 Nächte in Olot (Spanien), so sah das in Rekordzeit um gebastelte Ersatzprogramm aus. Wie gut, dass man Freunde hat, die perfekt spanisch sprechen.
Mit wärmender Funktionsunterwäsche, dickeren Socken, zusätzlichen Pullover,  Windstopper-Jacken, heizbaren Westen, Schals und Sturmhauben, echt dicken Handschuhen und öfters auch noch mit übergezogenen Regensachen sahen die 10 Unerschrockenen doch eher aus wie motorradfahrende Michelin-Männchen.
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Auf den Nebenstrecken waren wir quasi ganz allein und hatten trotz des miesen Wetters doch unseren Spaß. Schon erstaunlich, wie zügig man, nach einer doch eher kurzen Eingewöhnungsphase, auf regennasser Fahrbahn, durch die Gorges du Tarn flitzen kann!
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Am nächsten Tag wurden wir dann mit allen erdenklichen Unannehmlichkeiten beim Motorradfahren verwöhnt. Zu Kälte, Regen und Laub kommen auch noch frisch geteerte, reichlich mit Rollsplitt eingestreute Sträßchen hinzu. Dann gabs noch echt dichten Nebel und etwas weiter sogar noch ein Graupelschauer und in den höhergelegenen Gegenden beglückten uns die ersten zaghaften Schneeflocken. Da kommt Freude auf. Weil wir Carcassonne noch bei Tageslicht erobern wollten, mussten wir abkürzen, aber die Rechnung gind nicht auf, denn die Unwetter der letzten Tage hatten gleich mehrere Brücken auf der geplanten Route einfach weggespült.
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Nach kilometerlangen Umleitungen erreichten wir die interessante Festungsstadt dann doch erst in der Abenddämmerung. Am nächsten Morgen gab es Richtung Spanien dann nur noch Regen und in Argelès-Plage ein vorzügliches Fischgratin. Aber auch in Spanien war das Wetter keine Spur besser und so wurde auch Cadaquès links liegengelassen und weiter gings zum Yachthafen von Roses, wo der bedrohlich dunkle Himmel und die schneebedeckten Pyrenäengipfel im Hintergrund sehr kontrastreich wirkten.                                                                              
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Auf unserem Weg über Banyoles nach Olot besuchten wir dann noch kurz das Enduro Urgestein Christophe Del Bondio* in der Casa Mieres, wo wir vor 13 Jahren mal für eine ganze Woche zum Endurofahren weilten. 
Am nächsten Morgen ist der Himmel endlich mal wieder blau und wir starten zu unserer geplanten Runde nach Andorra, dem Zwergstaat in den Pyrenäen. Es bleibt trocken, aber das kleine Sternchen in der Anzeige blinkt ab dem Ausfahren aus der Hotelgarage, ununterbrochen, bis zur Rückkehr. Es ist arschkalt und wird immer kälter. Je höher wir fahren, je tiefer sinkt die Temperatur. Auf dem Hochplateau vor Puigcerdà liegt bereits Schnee und die Temperaturanzeige an der GS zeigt 0° an, aber wir wollen ja noch höher hinauf.
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Auffällig ist, dass das gesamte Team, die ganze Woche über ausnahmslos bei allen Zwischenstopps heiße Schokolade, Kaffee oder Tee trank. Aber auch bei der Menüwahl anlässlich der Mittagspausen waren wir immer einer Meinung …..: „Hauptsache warm“!
Etwas weiter zeigt die Temperatur-Anzeige am Strassenrand dann -1,5° an! 
Am Col de Puymorens (1915m) lag auch rechts und links der Fahrbahn Schnee und nur wenige km weiter am Port d’Envalira (2407m) zeigt die Temperaturanzeige der GS – 5,5° an.  Hier lag auch teilweise Schnee auf der Fahrbahn und anstatt Autos begegneten wir hier Snowmobilen und Skifahrern. 
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Unten in Andorra waren wir dann endlich wieder knapp über dem Gefrierpunkt und wärmten uns im schönen neuen Hard-Rock-Café ausgiebig von Innen und Außen auf. Auch in Spanien fehlten auf der vorgeplanten Route Brücken und so mussten wieder kurzfristig Streckenänderungen vorgenommen werden.
 
Da die Wettervorhersagen für den nächsten Tag für den gesamten Pyrenäenrand massiven Regen und in höheren Lagen sogar Schnee verkündeten wurde schnell noch eine Alternativstrecke Richtung Süden/Mittelmeer geplant. Nur mehr das halbe Icemen-Team war am nächsten Morgen angetreten. Dies war wohl die bessere Entscheidung, denn auch Richtung Süden schüttete es wie aus Eimern.   Der Wettergott kannte keine Gnade für die Härtesten der Hartgesottenen, sodass das „Wet Race“ gegen Mittag mit allgemeinem Einverständnis abgebrochen und zurück ins Hotel gerudert wurde. Wie in Spanien üblich wurde nach dem späten Mittagessen dann eine ausgiebige Siesta eingelegt.
Ausgiebig ausgeruht und aufgewärmt ging es dann am nächsten Morgen wieder über die Berge zurück nach Frankreich. Bei blauem Himmel, neuem Schnee und der schon gewohnt eisigen Kälte, ging es diesmal über la Molina und die einzige geräumte (schneefreie) Strecke, unten am Hang entlang (oben war alles wegen Neuschnee gesperrt) nochmal nach Puigcerda.
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Hier gibt es definitiv den besten Kakao, sehr warm, sehr süß und sehr dickflüssig, fast schon Pudding. Nach dem Col de Puymorens geht es diesmal rechts ab nach Ax-les-Thermes und obwohl es kein Gewitter gab hat es hier geblitzt. Den Col de Chioula könne wir noch fahren, aber am Col de Marmare ist dann wieder Schluss, denn die route des Corniches ist ebenfalls gesperrt. Nach dem allerbesten Linseneintopf an dem Place des Platanes in Les Cabannes drehen wir eine Schleife im Hinterland von Tarascon-sur-Ariège und erreichen über Foix unser Etappenziel In Mirepoix. Das mittelalterliche Städtchen hat eine malerische Altstadt mit schmalen Gassen und alten, meist zweigeschossigen Fachwerkhäusern auf hölzernen Arkaden und ist umgeben von einer Stadtmauer. Die schönsten Häuser sind: die maison des Consuls und das Rathaus.                                  
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Unsere Bleibe für leider nur eine Nacht ist das Relais de Mirepoix, eine echt luxuriöse Nobelherberge mit sehr geräumigen Riesenzimmer und allem was dazu gehört. Die schottische Chefin ist sehr freundlich, das Personal äußerst hilfsbereit und zuvorkommend und der ebenfalls schottische Koch kennt sein Handwerk. Nach einem vorzüglichen Essen und einer angenehmen Nacht geht es am nächsten Tag wieder in die Cevennen.        
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Ein echter Glückstreffer gelang uns mit dem Restaurant Fleurs d’Olargues, im gleichnamigen Ort, direkt am beeindruckenden „Pont du Diable“.  Nach einer appetitlichen Stärkung führt unsere Strecke zum „Cirque de Navacelles“ und etwas später auch noch zum Observatorium (von Météo France) am Mont Aigoual, mit 1567m der zweithöchste Berg der Cevennen, mit beeindruckendem Panoramablick, wo aber wieder Eiszeit herrschte und ein eisiger Wind wehte.
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Durch die nördlichen Cevennen und zwischen Ardèche und Auvergne hindurch zieht die Karawane in den Parc Naturel Régional du Pilat und egal was wir tun und wie wir uns benehmen, am Ende dieses Tages landen wir doch alle in einer Zelle im Gefängnis des (prisons de Montagny) und könne über die Sünden und Verfehlungen der letzten Tage nachdenken. Gottseidank gab es später ein wirklich ausgezeichnetes Abendessen und nicht nur Wasser und Brot. Eine interessante Erfahrung.      
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Mit einer eher langweiligen Etappe über die Autobahn endete eine außergewöhnlich kalte und feuchte aber trotz allem schöne Herbst-Winter-Tour und alle Hartgesottenen sind sicher beim nächsten Mal wieder mit von der Partie, denn über genau solche Touren und den damit verbundenen Anekdoten wird an vielen Clubabenden erzählt.  
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Alain Burg
 
Nachtrag: Während unseres Aufenthaltes in Olot besuchte uns Christophe noch 2 Mal in unserem Hotel, wobei eine erneute gemeinsame Motorradtour, on- und off-road durch die Pyrenäen besprochen wurde und mit Sicherheit in absehbarer Zeit auch organisiert worden wäre.
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Aber nur wenige Tage nach unserer Rückkehr erreichte uns die traurige Nachricht, dass Christophe am Donnerstag, 15 November, Opfer eines tragischen Unfalls geworden war. Der gebürtige Münchner (62) hatte über Jahre Enduro-Fahrer auf Lehrgängen und Adventure-Touren durch die ganze Welt und vor allem durch seine spanische Wahlheimat in den östlichen Pyrenäen geführt. Dort ist er beim Versuch, für seine Motorrad-Gruppe einen sicheren Weg durch das Wasser zu suchen, in einem normalerweise harmlosen Bach ertrunken. Die Furt war durch extreme Regenfälle heftig überspült und der Bach zu einem reißenden Fluss angewachsen. Motorradfahrer, die mit ihm auf einer Tagestour waren, berichteten, dass ihr Guide die Furt zunächst erfolgreich mit dem Motorrad überquert hatte. Dann aber hatte Christophe offenbar einsehen müssen, dass die Passage für seine Gruppe zu gefährlich war, da das Wasser schnell weiter stieg. Also versuchte er einen anderen Weg zu finden und wollte zu Fuß zurück zur Gruppe. Dabei verlor er offenbar den Halt und wurde vom Wasser mitgerissen. Der Name Christophe Del Bondio hatte nicht nur in der deutschen Enduro-Szene einen hervorragenden Ruf. Er war unter Offroad- und Motorrad-Reisenden in ganz Europa bestens bekannt.